Bürgerliches Gesetzbuch
Entstehung
Wie im vorherigen Kapitel dargestellt, war 1871 das Deutsche Reich entstanden. Die Reichsverfassung (RV) enthielt keine Grundrechte und auch keine Staatsangehörigkeit des Deutschen Reichs. Es gab somit keine Reichsbürgerschaft im Sinne eines Nationalstaats, sondern nur Staatsangehörige eines einzelnen Gliedstaates. Mit der Staatsangehörigkeit eines Gliedstaates hatte man somit einen Rechtstitel als Zugehöriger zum Deutschen Reich und konnte u.a. im Ausland auf diplomatischen Schutz hoffen. Verlor man jedoch seine Staatsangehörigkeit zu einem Gliedstaat, verlor man auch die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich.
Art. 3 Abs. 1 und 2 RV 1871 bestimmten, dass ein Bürger eines Gliedstaates in einem anderen Gliedstaat nicht benachteiligt werden darf und ein Niederlassungsrecht hat.
Rechtswirklichkeit und Lebenswirklichkeit mussten aber tatsächlich noch angeglichen werden: Ein Staatsbürger des Königreich Preußen war nicht zugleich Staatsbürger des Königreich Bayern. Kleine, feine Unterschiede pflegt man auch heute noch 😇 .
Man befand sich folglich noch immer auf dem Weg zum Nationalstaat.
Ein wesentlicher Baustein dazu war die Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuch. Das Privat-/Zivilrecht und damit das Familienrecht in den einzelnen Gliedstaaten des Deutschen Reichs war sehr unterschiedlich geregelt und sollte vereinheitlicht werden.
- 1873 wurde mit Beschluss des Reichstags und des Bundestags die Gesetzgebungskompetenz für das gesamte bürgerliche Recht, also auch für das Familienrecht auf das Reich übertragen.
- 1887 gab es den ersten Entwurf zum BGB.
- 1895 gab es den zweiten Entwurf zum BGB.
- 1896 gab es den dritten Entwurf mit kleinen Änderungen, der dann am 18. August 1896 beschlossen worden war.
- Am 01. Januar 1900 trat das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft.
Weitere Literatur: Mugdan: "Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich" in fünf Bänden, die aber tatsächlich nicht die gesammten Materialien enthalten. Das ist aber unerheblich. Interessant ist hier Band 4 - Familienrecht, den man sich durchaus zumuten darf.
Familienrecht damals
Mit dem Inkraftreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs trat somit das darin enthaltene Familienrecht in Kraft. Auch hier waren und sind bis heute Rechtswirklichkeit und Lebenswirklichkeit mit deutlichen Lücken behaftet.
Beides, die familiären Verhältnisse und Gesetzesveränderungen bedingten und bedingen sich gegenseitig und entwickelten und entwickeln sich mit mehr oder weniger auffälligen, aber vorhandenen Lücken weiter. Insoweit standen ab Inkraftreten dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Landesgesetze zur Zwangserziehung gegenüber: Am 01. Januar 1900 war das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz noch nicht entstanden.
Zeitsprung: Heute
Die Machtverhältnisse, um etwas im Bürgerlichen Gesetzbuch zu regeln, liegen eindeutig beim Gesetzgeber, heute beim Bundestag.
Das Familienrecht steht (noch immer) im Buch 4 des BGB. Es gliedert sich in drei Abschnitte, gegliedert in Titel und Untertitel:
- Abschnitt: Bürgerliche Ehe (§§ 1297 - 1588)
- Abschnitt: Verwandtschaft (§§ 1589 - 1772)
- Abschnitt: Vormundschaft, Pflegschaft für Minderjährige, rechtliche Betreuung, sonstige Pflegschaft (§§ 1773 - 1888)
Wie das BGB aus meiner Sicht heute zu sehen ist, beschreibe ich in einem weiteren Kapitel.