Hilfe zur Erziehung - § 27 SGB VIII

Um das System Jugendhilferechtliches Dreiecksverhältnis zu verstehen, muss man sich mit einigen Begriffen bzw. Vokabeln vertraut machen. Das ist nicht schwer, wenn man es erklärt bekommt. Bekommt man das System aber nicht erklärt, z.B. in dem sogenannten Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII, dann besteht leider die große Gefahr, dass man gnadenlos über den Tisch gezogen wird.

Nachfolgend habe ich mich bemüht, alles umgangssprachlich zu erklären, aber trotzdem genau auf die Gesetzestexte Bezug genommen.

Rechtsanspruch auf Sozialhilfe nach SGB VIII

Die sogenannte Hilfe zur Erziehung ist ein öffentlich-rechtlicher Rechtsanspruch, der in § 27 Abs. 1 SGB VIII gesetzlich verankert ist:

Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

Der Rechtsanspruch ist das Recht der Personensorgeberechtigten

  1. zu Leistungen (zur Hilfe), die der Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Vertrags erbringt und zu dessen Hilfe-Erbringung er einen Ermessensspielraum haben muss,
    oder
  2. zu Geldleistungen für die Bezahlung der Inanspruchnahme von Leistungen (Hilfe), die ein privater Leistungsgeber auf Grund eines privaten Rechtsgeschäfts erbringt.

Der Rechtsanspruch der Personensorgeberechtigten richtet sich an den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, auch wenn das nicht explizit in § 27 Abs. 1 SGB VIII steht. Der Rechtsanspruch ist nämlich in § 86 Abs. 1 SGB VIII beschrieben.

Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist eine kommunale Gebietskörperschaft, die nach § 69 Abs. 1 SGB VIII durch Landesrecht bestimmt wird. Das heißt: Jedes der 16 Bundesländer bestimmt, welches Dorf und welche Stadt in einem sogenannten Träger der öffentlichen Jugendhilfe zusammengefasst wird. Beispiele:

  1. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat Köln zum Träger der öffentlichen Jugendhilfe bestimmt. Köln hat das Amt für Kinder Jugend und Familie (Ottmar-Pohl-Platz 1) errichtet und betreibt untergeordnete Dienststellen, z.B. Bezirksjugendamt Innenstadt, Bezirksjugendamt Porz, etc.
  2. Das Bundesland Niedersachsen hat den Landkreis Göttingen, aber auch die Stadt Göttingen als jeweils eigene Träger der öffentlichen Jugendhilfe bestimmt. Somit gibt es hier das Jugendamt der Stadt Göttingen und das Jugendamt des Landkreises Göttingen. Das liegt daran, dass die Stadt Göttingen einen Sonderstatus im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz hat.
  3. Hamburg ist ein Bundesland und zugleich eine einzige Gemeinde. Das heißt, kein Hamburger Bezirk oder Stadtteil besitzt ein eigenes Kommunalrecht. Hamburg hat in jedem seiner sieben Bezirke ein Jugendamt im jeweiligen Bezirksamt errichtet. Diese wiederum betreiben untergeordnete Dienststellen in den einzelnen Stadtteilen.

Zuständigkeit: Welches Jugendamt für Sie tatsächlich zuständig ist, richtet sich aber nach § 86 SGB VIII und muss je nach Fallkonstellation erst ermittelt werden. Darauf gehe ich hier nicht ein, weil ich davon ausgehe, dass dies für Sie von Amts wegen erfolgen muss.

Personensorgeberechtigter: § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII lautet:

Im Sinne dieses Buches ist
5. Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht,
6. Erziehungsberechtigter, der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie aufgrund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt.

  1. Eine (volljährige, nicht unter Betreuung stehende) Frau ist faktisch von Geburt an Personensorgeberechtigte für das von ihr geborene Kind: § 1591 BGB - Mutterschaft.
  2. Vater sein ist rechtlich manchmal schwerer und richtet sich nach §§ 1592-1600d BGB. Zur Vereinfachung gehe ich im Weiteren davon aus, dass die Vaterschaft geklärt ist und das Kind ggf. einen zweiten (volljährigen, nicht unter Betreuung stehenden) männlichen Elternteil, den Vater als Personensorgeberechtigten hat.

Fazit: Mutter und Vater bleiben immer solange Personensorgeberechtigte wie ihnen das Familiengericht nach § 1666a Abs. 2 BGB nicht die gesamte Personensorge entzogen hat.
Erst wenn Ihnen die gesamte Personensorge entzogen worden ist, erst dann sind sie nicht mehr Personensorgeberechtigte(r)! Sie bleiben aber trotzdem Eltern (Mutter bzw. Vater), bleiben die natürlichen Inhaber des elterlichen Sorgerechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und sind nur nicht mehr befugt diese Rechte auszuüben.

Die Gruppe Familie steht weiterhin unter dem Grundrechte-Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG

Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

und hat nach Art. 8 Abs. 1 EMRK weiterhin das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens!
Dies hat ein Amtspfleger/-vormund von Amts wegen zu beachten.

Bemerkung: Zu § 1666 BGB und § 1666a BGB und was das mit § 40 FamFG - Wirksamwerden und dem Kindeswohl zu tun hat, werde ich an anderer Stelle noch beschreiben.

Übersicht - Vormundschaft vs Ergänzungspflegschaft

Zu Vormundschaft und Ergänzungspflegschaft werde ich eine eigene Seite schreiben. Hier soll nur eine Übersicht dargestellt werden.

Die elterliche Sorge ist in § 1626 Abs. 1 BGB geregelt. Die elterliche Sorge umfasst

  1. die Personensorge, das heißt die Sorge für die Person des Kindes, und
  2. die Vermögenssorge, das heißt die Sorge für das Vermögen des Kindes.

Wird den Eltern die vollständige elterliche Personensorge oder werden den Eltern Teile der elterlichen Personensorge entzogen, dann wird daraufhin unmittelbar sofort ein Ergänzungspfleger installiert. Dieser Vorgang steht grundsätzlich immer gemeinsam im Tenor eines Familiengerichtsbeschluss! Ausnahmen davon sind unzulässig (rechtswidrig) und daher sofort von Amts wegen nach § 42 Abs. 1 FamFG zu berichtigen!

Nur dann, wenn die elterliche Sorge, also die Personensorge und gleichzeitig die Vermögenssorge entzogen worden sind, wird ein Vormund installiert, vgl. § 1773 BGB.

Stationäre Hilfen

Stationäre Hilfe bedeutet, dass eine Fremdunterbringung statt findet. Entweder ist nur das Kind in einem Kinderheim oder bei Pflegeeltern oder es findet eine Aufnahme eines Elternteils mit einem oder mehreren Kindern in einer Elternteil-/Eltern-Kind-Einrichtung statt.

Ambulante Hilfen

Ambulante Hilfe bedeutet, dass eine Fremdunterbringung von Kindern oder Elternteil + Kind nicht statt findet. In meinen Texten gehe ich vorläufig nicht auf ambulante Hilfen ein.

Hilfe nach § 35a SGB VIII

Geld-(Sozial-)Leistungen nach § 35a SGB VIII sind keine Hilfe zur Erziehung.

Stand der Bearbeitung: 15.12.2024